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Dez 09

Wann sollten sie in das Training ihrer Mitarbeiter investieren – und wann nicht?

Während viele Experten die Wichtigkeit und den Nutzen der Mitarbeiterentwicklung hervorheben – wettbewerbsfähigere Mitarbeiter, erhöhte Mitarbeiterbindung oder auch gesteigertes Engagement -, deuten Kritiker auf fehlende Nutzenbelege hin. Letztendlich kann beides der Fall sein.
Trainingsmaßnahmen scheitern häufig wenn sie zur Behebung von Problemen in der Arbeitssituation eingesetzt werden, die sie eigentlich nicht lösen können.
Viele Führungskräfte betrachten Trainings als Allheilmittel für offensichtliche Verhaltensprobleme. Vor einigen Wochen hat mich beispielsweise ein kleineres  Dienstleistungsunternehmen aus der Finanzbranche gebeten, ein Training zu entwickeln, das Mitarbeiter unterstützt, weniger bürokratisch und unternehmerischer zu handeln.

Die Mitarbeiter sollten nach dem Training nicht länger auf die Zustimmung ihrer Vorgesetzten warten, sondern stattdessen selbständig Entscheidungen treffen. Das Unternehmen hoffte, dass anschließend Entscheidungen schneller getroffen werden würden. Obwohl das Unternehmen investitionsbereit war, haben wir gemeinsam festgestellt, dass ein Trainingsprogramm nicht der richtige Weg sei, um das neue Verhalten einzuführen.

Ein Training kann eine leistungsfähige Maßnahme sein, wenn nachgewiesen wurde dass der Grund für den Trainingsbedarf unentwickelte Fähigkeiten oder Wissensdefizite sind. In diesen Situationen ist ein Trainingsprogramm mit maßgeschneiderten Inhalten, relevantem Fallmaterial, Übungen zum Probehandeln und einer anschließenden Evaluation des Lernzuwachses hervorragend. Bei dieser Organisation hatte jedoch das Fehlen von Fähigkeiten sehr wenig mit ihrem Problem zu tun.

Nachdem wir mit einigen Mitarbeiterngesprochen hatten, stellten wir fest, dass die Hauptursachen des Problems viel mehr mit den folgenden Themen zu tun hatten:

  • Ineffektive Entscheidungsprozesse, in denen nicht klar war, wer die Entscheidungsbefugnis hat und wer lediglich beratend hinzugezogen wird
  • Auf die Spitze der Organisation fokussierte Autorität – selbst für taktische Entscheidungen wurden mehrere Zustimmungsebenen benötigt
  • Keine ausdrücklich formulierten Freiheitsgrade auf der operativen Ebene
  • Unzureichende Abstimmungsprozesse und Verantwortungsdiffusion
  • Kultur: Gering ausgeprägte Fehlertoleranz – Bitte um Erlaubnis für fast alles

Angesichts dieser systemischen Probleme war es unwahrscheinlich, dass ein Trainingsprogramm bei diesem Unternehmen zu einem produktiven oder nachhaltigen Ergebnis geführt hätte.

Solchen Ausgangssituationen begegnen wir nicht selten bei Projektstart. Wenn bereits größere Mitarbeiterzahlen durch Schulungsprogramme geschleust wurden und die erwünschte Verhaltensänderung weitgehend ausblieb wird schnell deutlich: Hier wurde keinesfalls effizient investiert.

Bei einem Unternehmen wurden beispielsweise fast 19.000 Mitarbeiter mit dem Ziel einer energiesparenden Fahrweise „beschult“, bei einem anderen Unternehmen wurden ca. 4.000 Kundenberater mit dem Ziel einer zu verbessernden Kunden-Servicequalität qualifiziert und umsetzungsbegleitend gecoacht. In beiden Ausgangssituationen waren die Verhaltensprobleme nicht wesentlich durch Defizite im Bereich Wissen oder Können verursacht. Die Rahmenbedingungen und die Führungsarbeit unterstützten das gewünschte Verhalten nur unzureichend. Erst nach gemeinsamer konsequenter Aufarbeitung und Optimierung des Arbeitsumfeldes zeigte sich deutlich messbar das gewünschte Ergebnis und daüber hinaus noch erhebliche Vereinfachungen in den Arbeitsabläufen. Durch Einbeziehung der Mitarbeiter in die Verbesserungsmaßnahmen konnte in beiden Fällen der Projekt-ROI innerhalb von 12 Monaten erreicht werden!

Lernen ist eine Folge des Denkens, nicht des Unterrichtens. Es findet statt, wenn Menschen über ein neues Verhalten nachdenken und dieses bewusst wählen. Wenn das Arbeitsumfeld dieses Verhalten jedoch nicht unterstützt, wird ein gut ausgebildeter Mitarbeiter keine Verhaltensänderung zeigen. Drei Bedingungen sollten erfüllt sein, umsicherzustellen, dass eine Trainingsmaßnahme zum gewünschten Ergebnis führt:


1. Interne Systeme und die Führung unterstützen das gewünschte Verhalten.

Das Erkennen unerwünschten Verhaltens ist sicherlich ein Hinweis darauf, dass sich etwas ändern muss. Der Ursprung dieses unerwünschten Verhaltens ist jedochmöglicherweise kein Mangel an Fertigkeiten sondern wird von vielen weiteren Faktoren beeinflusst. Beispielsweise wie klar Führungskräfte ihre Erwartungen festlegen, kommunizieren und Prioritäten setzen. Und auch welche Kultur im Unternehmen etabliert ist und wie diese verstärkt wird, wie Leistung gemessen und belohnt wird oder welche Freiheitsgrade das Individuum in seiner Rolle hat. Wenn diese Fragen nicht geklärt werden, erweist sich jede Trainingsmaßnahme als ineffizient.

In den beiden oben skizzierten Fällen haben sich die Mitarbeiter nicht lustlos verhalten weil sie es nicht besser wussten. Ganz im Gegenteil – die Mitarbeiter waren meist intrinsisch motiviert ihre Kunden glücklich zu machen oder auch energiebewusst zu fahren. Die Arbeitssituation erschwerte es ihnen jedoch.

2. Veränderung wird verpflichtend.

Bei einer initialen Bestimmung der organisatorischen Ausgangssituation werden nicht nur die Fähigkeiten definiert, die die Mitarbeiter entwickeln müssen, sondern auch die Voraussetzungen, die erforderlich sind, um diese Fähigkeiten zu stärken und zu erhalten. Hierbei sollten Problemursachen identifiziert werden, die erwünschtes Verhalten be- oder sogar verhindern.

Regelmäßig finden wir typische Problemursachen in den Feldern „Wollen“ und „Dürfen“. Um also klug in das Feld „Können“ zu investieren, ist es erfolgskritisch in diesen beiden Feldern aufzuräumen. Die Kenntnis der Problemursachen bedeutet jedoch noch lange nicht, dass die Organisation auch bereit ist, diese zu ändern.


Wenn eine Organisation nicht bereit ist, auch Problemursachen in den Feldern „Wollen“ und „Dürfen“ zu bearbeiten, wird ein Training nicht den beabsichtigten Nutzen bringen.

3. Das Training unterstützt unmittelbar strategische Prioritäten.

Wenn eine Organisation eine neue Strategie einführt – beispielsweise einen neuen Markt erschließt oder ein neues Produkt einführt -, können Qualifizierungsmaßnahmen entscheidend dazu beitragen, die Mitarbeiter mit den Fähigkeiten und dem Wissen auszustatten, die eine erfolgreiche Strategieumsetzung benötigt. Wenn eine Qualifizierungsmaßnahme jedoch keinen erkennbaren Zweck oder keine klar erkennbare Einbettung hat, steigt die Gefahr einer Fehlinvestition.

Eine andere große Dienstleistungsorganisation hat beispielsweise einen unternehmensweiten Stress- und Achtsamkeits-Workshop mit hunderten Mitarbeitern und Führungskräften durchgeführt. Als ich die verantwortliche Personalentwicklerin bat, ihr Verständnis zu dieser Maßnahme zu erläutern, sagte sie: „Die Daten unserer Mitarbeiterbefragung deuteten darauf hin, dass sich unsere Mitarbeiter gestresst und überarbeitet fühlen. Die Gesundheitsquote ist in einigen Standorten besorgniserregend niedrig. Das Training soll unseren Mitarbeitern dabei helfen sich zu konzentrieren und Spannungen abzubauen.“ Als ich sie fragte, was den Stress verursacht, war die Antwort „Ich weiß es nicht wirklich, aber die meisten negativen Daten kommen aus den Standorten mit hohem Krankenstand und hier wird sich darüber beschwert, überarbeitet zu sein. Außerdem ist der Job auch psychisch sehr belastend“. Die Personalentwicklerin war der Meinung, dass ihre Trainingslösung von strategischer Bedeutung war, da sie mit einer wichtigen Kennzahl – der Gesundheitsquote – verknüpft war. Außerdem hätte die Führungsmannschaft um diese Lösungsunterstützung gebeten. Die Teilnehmerrückmeldungen zeigten, dass die Schulung immerhin als „interessant“ empfunden wurde.

Als dann Wochen später über die Presse und im Fernsehen bekannt wurde, dass einzelne Mitarbeiter der Organisation manche noch zu bearbeitende Vorgänge und Kundenanliegen heimlich im Mülleimer entsorgten, wurde klar dass die Verzweiflung ein Übermaß angenommen hatte. Es gibt dafür keine Entschuldigung aber unzählige Gründe, warum die Arbeitssituation die Mitarbeiter überlastet haben könnte. Die Energie dieser Personalexpertin hätte besser darauf abzielen sollen, gemeinsam mit der Führungsmannschaft die von Mitarbeitern geäußerten Probleme systematisch anzugehen.

Beispielsweise nahm die Belastungssituation bei den Mitarbeitern durch gestiegenen Anforderungen stetig zu. Dadurch entstanden physische und psychische Erkrankungen, die in entsprechende Fehlzeiten mündeten, die nicht mehr abgefedert werden konnten. Die Zielvorgaben wurden regelmäßig viel zu ehrgeizig formuliert. Innerhalb der sehr ausgeprägten Hierarchie und Angstkultur wagten Teamleiter keine Anpassung der Zielvorgaben. Die Ziele wurden also meist 1:1 durchgereicht. Das sehr mechanistische Zielerreichungscontrolling meldete permanent Defizite zurück, die aufgrund der geringen Beeinflussbarkeit bei der Zielerreichung zur Resignation und Demotivation vieler Mitarbeiter führte. Die Mitarbeiter kamen zunehmend an ihre Belastungsgrenze. Zu allem Überfluss wurden Mitarbeitergespräche auch nur dann geführt, wenn es Anlässe zur Verhaltens- oder Leistungskritik gab usw.

Wenn Sie sich nicht auf die Bearbeitung und Optimierung der Felder „Wollen“ und „Dürfen“ verlassen können, geben Sie das Geld für Trainingsmaßnahmen besser nicht aus.

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