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Jan 27

Empowerment von Teams als erfolgskritische Führungsaufgabe

Es gibt heutzutage viele gute Gründe für Führungskräfte, das Potential ihrer gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu nutzen. Ganz oben auf der Liste stehen 1) die Bewältigung von Komplexität und Dynamik sowie 2) die Sicherung und Gewinnung von Wissen: 1. Angesichts der Komplexität und Dynamik der meisten heutigen und zukünftigen Aufgaben sind effiziente Entscheidungsprozesse wesentlich. Liegt die alleinige Entscheidungsbefugnis auf Ebene der Führungskräfte, werden entweder falsche Entscheidungen getroffen, weil das zur Verfügung stehende Wissen zwangsläufig eingeschränkt ist oder die Entscheidungen dauern zu lange, weil sie nicht unmittelbar an den jeweiligen „pain points“ getroffen werden können. 2. Sowohl repetitive wie innovative Produkte und Leistungen sind auf unterstützende Prozesse der Wissenssicherung und Wissensgewinnung angewiesen, um die erforderlichen Qualitäts-, Kosten- und Serviceziele zu erfüllen. Damit wird die Sicherung und Gewinnung von Wissen zu einer zentralen Führungsaufgabe, die immer wichtiger wird, je weiter die Transformation von der Industrie- zur Wissensgesellschaft voranschreitet.

Folglich sind ganz offensichtlich Unternehmen im Vorteil, deren Belegschaft – unabhängig von hierarchischer Position, fachlicher Ausbildung, demographischer Herkunft oder betrieblicher Erfahrung – vorurteilsfrei zusammenarbeiten und ihre Informationen frei austauschen. Möglich machen dies grundsätzlich eine offene, kooperative Unternehmenskultur und flache Hierarchien. Außerdem ein durchgängiges Führungsverständnis, das den Mitarbeitern weitgehende Entscheidungsbefugnisse überträgt sowie die Vernetzung und den Informationsaustausch unter den Mitarbeitern fördert. Derartige Strategien und Maßnahmen, die den Grad an Autonomie und Selbstbestimmung von Mitarbeitern erhöhen, lassen sich unter dem Begriff „Empowerment“ zusammenfassen. Empowerment lässt sich in „Strukturelles Empowerment“ („Stärkung der Entscheidungskompetenz“) und „Psychologisches Empowerment“ („Überzeugung, die eigene Arbeit kontrollieren zu können“) weiter differenzieren. Nach Spreitzer (1995) setzt sich das „Psychologisches Empowerment“ von Mitarbeitern aus den vier Säulen „Bedeutsamkeit“, „Kompetenz“, „Selbstbestimmung“ und „Einfluss“ zusammen.

Wie weit diese Kriterien des „Psychologischen Empowerment“s erfüllt sind, lässt sich mit einem kurz gefassten Befragungsinstrument vergleichend messen. Es besteht aus nur 12 Fragen („Items“) (s. Tab. 1), die von den betroffenen Mitarbeitern auf einer siebenstufigen Skala eingeschätzt werden.




Tab. 1: Items des Fragebogens zum „Psychologischem Empowerment“

Wie wissenschaftliche Studien zeigen (vgl. Seibert et al., 2011), sind hohe Ergebniswerte bei den vier Skalen des „Psychologischen Empowerments“ gleichbedeutend mit höherer Arbeitszufriedenheit, Mitarbeiterbindung, extraproduktivem Verhalten und Leistung. Gleichzeitig korrelieren höhere Skalenwerte mit geringeren Fluktuationsabsichten und niedrigerem Stresserleben. Damit wird der vermeintlich „weiche“ Faktor „Psychologisches Empowerment“ gleichzeitig zu einem „harten“, ergebniswirksamen Unternehmensfaktor.

Das Erleben von „Psychologischem Empowerment“ wird ganz wesentlich über das Führungsverhalten gesteuert (vgl. Schermuly (2015). Insbesondere die Möglichkeit für den Mitarbeiter, „Einfluss“ auf die Umsetzung von betrieblichen Maßnahmen nehmen zu können („Partizipation“), ist entscheidend. Ein solcher Führungsstil ist dabei keineswegs laissez-faire. Die Führungskräfte treten nicht von ihren Steuerungsfunktionen zurück, sondern führen diese anders aus. Beispielsweise kann über die gemeinsame Vereinbarung von Zielen Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter genommen werden. Die konkreten Wege der Zielrealisierung bleiben aber den Mitarbeitern überlassen. In der Tabelle „Tab. 2“ sind „direktive“ und „empowermentorientierte“ Verhaltensweisen von Führungskräften zum Vergleich gegenübergestellt.




Tab. 2: Direktive und empowermentorientierte Verhaltensweisen von Führungskräften im Vergleich

Wie weit Führungskräfte in der Lage sind, Mitarbeiter und Teams zu „empowern“, lässt sich ebenfalls auf einfache Weise transparent machen. Erfasst werden dafür die Ausprägungsgrade des Führungsstils „Empowering Leadership“ (vgl. auch „Superleadership“, „Motivational Leadership“ oder „Führung durch Selbstführung“). Als Messinstrument dient der „Empowering Leadership Questionnaire (ELQ)“ (Arnold et al. (2000)). Dabei handelt es sich um einen ebenfalls kurz gefassten Fragebogen für Mitarbeiter, die anhand von 38 Items das Verhalten ihrer Führungskraft einschätzen sollen. Das Ergebnisprofil des Fragebogens setzt sich aus den fünf Skalen „Führung durch Vorbild“, „Partizipative Entscheidungsfindung“, „Coaching von Mitarbeitern“, „Mit dem Team interagieren / Interesse zeigen“ und „Sachverhalte erklären“ zusammen (s. Abb. 2).

Der Führungsstil „Empowering Leadership“ bedeutet in der Praxis folglich, dass Führungskräfte in der Lage sind, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Wichtigkeit ihrer Arbeitsaufgaben im Zusammenhang mit einer übergeordneten Vision zu verdeutlichen. Dadurch soll ihnen die Bedeutung ihrer Arbeit erlebbar gemacht werden. Um dies zu gewährleisten, ist ein regelmäßiger Kontakt und eine wertschätzende Kommunikation zwischen den Führungskräften und ihren Mitarbeitern wichtig. Die Mitarbeiter sollen unterstützt, informiert und ernst genommen werden. Letztlich steht vor allem die Unternehmensleitung in der Verantwortung, das Empowerment der Belegschaft sicher zu stellen. Sie sollten den nachgeordneten Führungsebenen als Vorbild dienen und partizipativ führen.




Abb. 2: Facetten von „Empowering Leadership“ entsprechend dem Empowering Leadership Questionnaire (ELQ

Veränderte Organisationsformen gehen fast zwangsläufig mit veränderten Führungsanforderungen und einem dazu passenden Führungsstil einher. So wird bei der Flexibilisierung und Agilisierung von Unternehmensstrukturen und -prozessen in einem Atemzug häufig auch von einer stärkeren „Selbstorganisation“ auf Teamebene gesprochen. In all diesen Fällen kommt dem Führungsstil „Empowering Leadership“ eine Schlüsselfunktion zu, wenn gleich dieser Zusammenhang in der Praxis nicht immer erkannt wird.

Der Führungsstil „Empowering Leadership“ ist ein notwendiger, aber kein hinreichender Erfolgsfaktor bei der Agilisierung von Unternehmensstrukturen und -prozessen. Er stellt hohe Anforderungen gleichermaßen an die Führungskräfte und die Mitarbeiter. So reicht es beispielsweise nicht, den Mitarbeitern mehr Kompetenzen zu übertragen („Strukturelles Empowerment“), sondern sie müssen für die neuen Verantwortungsbereiche auch qualifiziert werden. Und sie benötigen Orientierung, denn empowermentorientierte Führung ist keine Laissez-faire-Führung. Empowerment heißt nicht zuletzt regelmäßiger Kontakt zwischen Führungskraft und MitarbeiterIn und wechselseitige Beratung über alle anstehenden Fragen, wobei die Führungskräfte bei manchen Fragen, bei denen sie erkennbar mehr Erfahrung haben, eine Coaching- oder Mentorenrolle einnehmen.

Weiterhin gilt, dass Führungskräfte, die selbst Empowerment erfahren, sehr viel leichter Empowerment praktizieren können. Erlebt sich eine Führungskraft aus dem mittleren Management aufgrund der Vorgaben des höheren Managements als wenig selbstbestimmt und einflussreich, so kann diese Führungskraft auch kaum ihren Mitarbeitern ein Gefühl von Empowerment vermitteln. Wegen der traditionell hierarchischen Führung haben viele Führungskräfte Empowerment nicht gelernt und kennen keine Vorbilder. Zentrale Unterschiede des Führungsstils „Empowering Leadership“ zu traditionellen und modernen Führungsstilen sind in Tabelle „Tab. 3“ wiedergegeben.




Tab. 3: Kennzeichen traditioneller und moderner Führungsstile gegenüber dem Führungsstil „Empowering Leadership“ (vgl. Manz/Sims (1991) und Stock-Homburg (2013)

Praktische Umsetzung

Für alle Unternehmen, die eine stärkere Digitalisierung ihrer Prozesse anstreben oder ihre Organisationsstrukturen in Richtung „hybride/fluide Matrix“ oder „Netzwerk“ agiler gestalten wollen, stellt „Empowering Leadership“ eine wertvolle Unterstützung bei ihren Zielsetzungen dar.

Im Vorfeld zu entsprechenden Führungskräftetrainings oder -coachings kann ein solcher Prozess mit einer Ist- bzw. Reifegradanalyse der Führungskultur starten. Auf Mitarbeiterebene kann dies mit einem Befragungsinstrument zum „Psychologischem Empowerment“ beginnen. Alternativ oder ergänzend kann ein 180°-Feedback zum Führungsstil „Empowering Leadership“ durchgeführt werden.

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